Anschluss- und Benutzungszwang

Anschluss- und Benutzungszwang – tatsächlich ein Relikt?

Er wird unermüdlich kritisiert – der Anschluss- und Benutzungszwang. Seine Durchsetzung im Einzelfall erscheint für Außenstehende, zumindest auf den ersten Blick, willkürlich und brutal, als ein unverhältnismäßiges Mittel, eines Rechtsstaates nicht würdig. Und irgendwie klingt das Wort ja bereits nach Behördenwillkür, worauf eine parteiische Berichterstattung wirksam aufgebaut werden kann.
Aber: Betrachten Sie doch einmal unvoreingenommen und aus neutraler Position dieses gerade im Jahr 2008 oft von Presse und Medien hochgespielte Problem!
Der Anschluss- und Benutzungszwang ist die Grundlage einer wirtschaftlichen und umweltgerechten Ver- und Entsorgung und gilt für alle Bürger gleichermaßen. Das betrifft die öffentliche Trinkwasserversorgung genauso wie die zentrale und auch die dezentrale Entsorgung.
Nur: Die überwiegende Zahl der „Gezwungenen“ nimmt diesen Zwang gar nicht als solchen wahr. Der Besitzer einer abflusslosen Sammelgrube bestellt das Entsorgungsfahrzeug und braucht sich um sein Abwasser nicht weiter zu kümmern. Wird eine neue zentrale Erschließung fertig gestellt, schließt der Eigentümer sein Grundstück an den neuen Kanal an, leitet sein Abwasser ein und weiß, dass es fachgerecht behandelt schadlos der Natur zurückgegeben wird. Beide kommen dem Anschluss- und Benutzungszwang freiwillig nach, indem sie eine Dienstleistung in Anspruch nehmen und ohne einen Zwang zu spüren.
Möchte ein Grundstückseigentümer diese Dienstleistung nicht, kann er auf seinen Antrag hin vom Anschluss- und Benutzungszwang befreit werden. Hierfür hat der Gesetzgeber klare Vorgaben gemacht und nur dann, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Befreiung ausgesprochen werden und ist sie auch in zahlreichen Fällen bereits ausgesprochen worden.
Regelmäßig ist dies der Fall, wenn auf einem dezentral entsorgten Grundstück eine Kleinkläranlage errichtet und betrieben werden soll. In einem solchen Fall gibt der Zweckverband im Genehmigungsverfahren der Unteren Wasserbehörde ein positives Votum ab und beantragt dort gleichzeitig die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht vom Zweckverband (er ist per Gesetz verpflichtet) auf den Grundstückseigentümer. Genehmigt die Untere Wasserbehörde die Kleinkläranlage (eigentlich: die Gewässerbenutzung) und überträgt die Abwasserbeseitigungspflicht, befreit der Zweckverband den Grundstückseigentümer vom Anschluss- und Benutzungszwang.
Ist jedoch die zentrale öffentliche Kanalisation vor dem Grundstück nutzungsbereit vorhanden, sind die Voraussetzungen für eine Befreiung und auch ein Ermessensspielraum nicht mehr gegeben. Der Benutzung der zentralen Entsorgung ist regelmäßig der Vorzug zu geben. Daher sind Genehmigungen für Kleinkläranlagen und Befreiungen vom Anschluss- und Benutzungszwang zunächst auf 10 bis 15 Jahre befristet, jedoch längstens bis zur Anschlussmöglichkeit an die zentrale Entsorgung.
Nun zu den Fakten des von der Öffentlichkeit verfolgten Falles, die hier eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang verwehrten:
Aus der Sicht der Unteren Wasserbehörde – sie hatte den Antrag des Zweckverbandes auf Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf die Grundstückseigentümer abgelehnt – war die Entsorgungssituation auf dem Rauener Grundstück ungeklärt. Damit musste der Zweckverband handeln, denn ihm obliegt per Gesetz die Abwasserbeseitigungspflicht. Stellt er diese nicht sicher, verletzt er seine gesetzlichen Pflichten.
Die Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsgerichte in den zahlreichen hierzu von den betroffenen Grundstückseigentümern geführten Rechtsstreiten forderten und bestätigten das Vorgehen des Zweckverbandes. Mit Beschluss vom 12. Februar 2008 schließlich drängte die 5. Kammer des VG Frankfurt klar und deutlich auf die sofortige Umsetzung ihrer früheren obergerichtlich bestätigten und bestandskräftigen Entscheidungen, nämlich die Herstellung des Grundstücksanschlusses notfalls auch per Ersatzvornahme.
Ungeklärt blieb im gesamten Verfahrensverlauf die Funktionstüchtigkeit der privaten Abwasseranlage auf dem Grundstück der Familie. Die im Dezember 2007 anlässlich der zwangsweisen mobilen Entsorgung vorgefundene Situation ließ hieran Zweifel aufkommen. Ergebnisse über Reinigungsleistung und Qualität des gereinigten Abwassers liegen bis heute weder der Unteren Wasserbehörde noch dem Zweckverband vor, über einen ordnungsgemäßen Betrieb oder die fachgerechte Wartung der Anlage ist ebenfalls nichts bekannt. Nachweise für die unermüdlich behauptete vorbildliche Abwasserbehandlung sind die Grundstückseigentümer bis heute schuldig geblieben, was schließlich zur Einschätzung der Unteren Wasserbehörde hinsichtlich der ungeklärten Entsorgungssituation auf dem Grundstück führte. Im Übrigen hatte die Familie ihre private Anlage erst gebaut, als die zentrale Erschließung vor dem Grundstück bereits vorhanden war.
Im Verlaufe der Ersatzvornahme räumte der Zweckverband den Grundstückseigentümern immer wieder Erleichterungen ein, die diese jedoch nicht nutzten, sondern immer wieder nur Teillösungen oder Provisorien zur Abnahme anboten. Diese Kompromisse führten daher zusammen mit immer neuen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu der bekannten monatelangen Verfahrensdauer und letztlich musste der Anschluss doch unter Polizeischutz technisch korrekt und nutzbar fertig gestellt werden.

Gerne werden in öffentlichen Diskussionen um solche Fälle gezielt auch die hinlänglich bekannten Klischees bemüht: maroder und zahlungsunfähiger Zweckverband will seine überdimensionierten Anlagen einigermaßen auslasten und überhöhte Gebühren grundlos abkassieren, um stur auch das „letzte Gehöft“ an die zentrale Entsorgung anzuschließen. Die verfehlte Abwasserpolitik der 90er Jahre sei damit jetzt durch die Bürger zu finanzieren.
Lassen Sie auch hierzu die Fakten sprechen:
Der ZVWA Fürstenwalde ist ein wirtschaftlich sehr stabiler Zweckverband. Es gibt keine überdimensionierten Anlagen. Gebühren und Beiträge gehören seit Jahren zu den günstigsten landesweit, auch bundesweit scheuen wir keinen Vergleich. Trotz der geringen Gebühren werden alljährlich positive Jahresergebnisse erreicht. Der letzte Kredit wurde 1996 aufgenommen, seitdem wurden mehrfach Sondertilgungen vorgenommen, die Kreditsumme je Einwohner liegt weit unter dem Durchschnitt. Die Eigenkapitalquote, ein allgemeines Maß für die wirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens, liegt bei 78 % - gegenüber angestrebten mindestens 30 %.
Grundlage dieser günstigen und doch kostendeckenden Gebühren war und ist, dass alle Erschließungen im Zuge der Planung auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft wurden und eben keine kleinen und abgelegenen Siedlungen, geschweige denn das berühmte „letzte Gehöft“, an eine zentrale Anlage angeschlossen wurden. Dies belegt auch der erreichte Anschlussgrad im Verbandsgebiet, der bei 82 % liegt. Noch heute sind ca. 8.000 Einwohner, die in ländlich geprägten Regionen vor allem des östlichen Verbandsgebietes leben, nicht zentral erschlossen und werden dies auch dauerhaft bleiben.
Das betroffene Grundstück dagegen liegt inmitten der geschlossenen Bebauung einer 2.000-Einwohner-Gemeinde, die unmittelbar an Fürstenwalde grenzt.
Auch das vielfach bemühte Argument, die Kläranlage Fürstenwalde würde die Abwässer wie anno dazumal reinigen und die niedrigen Gebühren des Zweckverbandes seien womöglich darauf zurückzuführen, dass im Zuständigkeitsbereich des Zweckverbandes die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten werden, greift nicht. Die Kläranlage Fürstenwalde hat eine Reinigungstechnologie, die dem Stand der Technik entspricht; mit dieser Technologie werden die gestellten Anforderungen an die Reinigungsleistung übertroffen. Die festgelegten Überwachungswerte werden nicht nur eingehalten, sondern deutlich unterschritten. Hierfür liegen – anders als bei der besagten Familie – genügend Nachweise vor.
Abschließend noch ein Wort zum Solidarprinzip: Möchte sich jemand herausschleichen, schadet er den ehrlichen Gebührenzahlern, denn die müssen dessen Anteil dann mittragen. Es ist eine wichtige Grundlage der wirtschaftlichen Stabilität, das geltende Recht konsequent für alle gleichermaßen anzuwenden und unbegründete Ausnahmen nicht zuzulassen.
Unser Vorgehen sei eines Rechtsstaates nicht würdig, wird behauptet. Ein Wörterbuch erklärt den Begriff „Rechtsstaat“ wie folgt: „Ein Staat, dessen Aufgabe auf die Verwirklichung der Rechtsidee und damit auf Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und eine möglichst allseits befriedigende Ordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen, notfalls unter Anwendung von Zwang, gerichtet ist.“
Ein Rechtsstaat sollte sich gerade dadurch auszeichnen, dass er nicht nur Gesetze hat, sondern diese auch angewandt und umgesetzt werden und täglicher Handlungsmaßstab insbesondere staatlicher und kommunaler Behörden sind.
Dagegen wird der Begriff „Bananenrepublik“ – eine ebenso mehrfach in der öffentlichen Diskussion gebrauchte Herabwürdigung unseres konsequenten Handelns – einem ganz anderen Klischee gerecht: Die politischen Verhältnisse dort sind von Korruption und Ineffizienz geprägt, Gesetze werden nur auf wenige Fälle angewandt, worüber Einzelne nach Gutdünken, Sympathie oder Antipathie und auf ihren eigenen Vorteil bedacht entscheiden.

Aktuell: Zum Antrag auf Zwangsversteigerung

Mit Urteil vom 16. 01. 2009 bestätigte das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), dass auch die Eigentümer des Rauener Grundstückes genau so wie alle anderen Grundstückseigentümer ihren Beitrag für die Anschlussmöglichkeit an das zentrale Abwassernetz bezahlen müssen. Wie bereits in vielen von der Familie gegen den Zweckverband geführten Prozessen wiesen die Richter auch deren diesbezügliche Klage zurück.
Grundlage für das Handeln des Zweckverbandes und auch der Entscheidungen der unermüdlich von der Familie angerufenen Gerichte sind – wie sollte es auch anders sein – die geltenden Gesetze. Daher entbehrt es jeder Logik und klingt gelinde gesagt befremdlich, wenn es in der Stellungnahme einer Landtagsabgeordneten der Linken heißt, die Umsetzung dieser Urteile geschehe „gegen den Willen des Gesetzgebers“.
Dass der Zweckverband sich an die geltenden Gesetze hält und nun folgerichtig die Zwangsversteigerung des Grundstückes beantragt hat, ist für die Gegner Anlass, mit unsachlichen und sogar größtenteils unrichtigen Argumenten den Hass auf Behörden im Allgemeinen und auf Zweckverbände im Besonderen zu schüren.
Wie bereits im vergangenen Jahr bei der Herstellung des Abwasseranschlusses hat der Zweckverband auch bei der Durchsetzung der Beitragsforderung Augenmaß bewiesen und der Familie alle denkbaren Erleichterungen wie Stundung und Ratenzahlung angeboten. Leider wurde dies nicht genutzt.
Stattdessen haben die Grundstückseigentümer ihrerseits Vorkehrungen getroffen, dass der Zweckverband seine gerichtlich bestätigte Forderung nach Ablauf der gesetzlichen Vorrangfrist nicht mehr durchsetzen kann. Um den berechtigten Anspruch durch die getroffenen Vorkehrungen nicht tatsächlich wertlos werden zu lassen, musste die Zwangsversteigerung bis Mitte Februar 2009 beantragt werden.
Es liegt nach wie vor in der Hand der Grundstückseigentümer, die Zwangsversteigerung noch zu verhindern. Sobald die Forderung einschließlich der bereits in beträchtlicher Höhe aufgelaufenen Zinsen und anderen Nebenforderungen vollständig ausgeglichen ist, wird der Zweckverband den Antrag zurückziehen.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) in einer Entscheidung ebenfalls vom 16. 01. 2009 (Az.: 5 L 201/08) einen Antrag auf Pfändungsschutz zurück gewiesen und klargestellt, dass der Zweckverband nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, seine berechtigten Forderungen zu vollstrecken und hier alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen hat. „Es ist Sache des Antragstellers, entweder die Freigabe des Kontos durch Begleichung der vollziehbaren Beitragsforderung zu erwirken oder seine Zahlungspflichten anderweitig zu erfüllen“ heißt es in der Begründung.

Nachdem die offenen Forderungen aus dem Herstellungsbeitragsbescheid inzwischen ausgeglichen sind, konnte der ZVWA den Antrag auf Zwangsversteigerung am 23.02.2009 zurückziehen.